Dem Himmel so nah: ASB-Wünschewagen macht gleich zwei Hospizgäste zu Ballonfahrern
Hannover, 23.10.2024 // Schon ihr halbes Leben lang will Barbara in die Lüfte steigen. Einmal dem Himmel ganz nah sein. Das geliebte Harzvorland von oben sehen. Den Alltag, Ängste und alle Sorgen zurücklassen. Nie hat das geklappt. Die Zeit hat nicht gereicht. Das Geld. Bis jetzt – denn nun durfte die schwerstkranke 70-jährige ALS-Patientin sprichwörtlich wenigstens einmal über den „Dingen schweben“, im Heißluftballon abheben. Möglich gemacht haben diesen letzten Herzenswunsch der ASB-Wünschewagen Niedersachsen und das Team vom Hospiz Im Gutspark Wolfenbüttel. Für unser Wünschewagen-Team war es bereits der 500. erfüllte Wunsch.
Seit September ist Barbara dort Gästin, hat den Mitarbeitern immer und immer wieder von ihrem großen Traum berichtet. Und ist damit bei Pflegedienstleiterin Anja Wagner-Brandt auf offene Ohren gestoßen. Sie hat das Wünschewagen-Team vom Arbeiter-Samariter-Bund Landesverband Niedersachsen e.V. (ASB) informiert. Und das hat kurzerhand alle Hebel in Bewegung gesetzt, damit Barbara trotz der enormen Einschränkungen, die ihre Erkrankung bereits mit sich bringt, noch einmal zur Reisenden werden kann. Übrigens nicht alleine: Denn im Hospiz hat sie ihren „Seelenverwandten“ Thomas kennengelernt. Der 59-Jährige ist an Krebs erkrankt. Lange hat er nicht mehr zu leben. Er teilt Barbaras Sehnsucht nach dem „Noch-einmal-Abheben“. Die Beiden geben einander Kraft, tragen sich durch die schwere Zeit. Und so steht es außer Frage, dass sie gemeinsam auf Wunschfahrt gehen wollen, als unsere ehrenamtlichen ASB-Wunscherfüllerinnen Jasmin Lienert-Wahlbrink und Sabine Dollinger mit dem Wünschewagen aus Hannover am Hospiz vorfahren. Die Pflegefachkräfte kümmern sich während der Wunschfahrt sowohl auf dem Boden, als auch in der Luft, um die medizinisch-pflegerische Versorgung der beiden Schwerstkranken. Aufgeregt sind die Reisenden. Voller Vorfreude auf dieses letzte große Abenteuer.
Mit dem „Brockenballon“ von Pilot Winfried Borchert starten die Vier schließlich von einem Feld bei Wernigerode aus zur 14 Kilometer langen Fahrt über das Harzervorland. Sanft hebt die Reisegruppe ab. Lässt Baumwipfel und Sorgen zurück. Die Sonne scheint, der Blick ist gigantisch. Barbara und Thomas halten Händchen. Strahlen. Haben Pralinen dabei. Genießen die wunderbare Stille. Die wird nur unterbrochen, wenn Pilot Borchert den Brenner anschmeißt, damit der Ballon wieder mehr an Höhe gewinnen kann. Dahin fliegt, wohin der Wind die Reisenden tragen möchte. Nach einer sanften Landung, werden die beiden Wünschewagen-Fahrgäste noch von ihrem Piloten getauft – so will es eine alle Tradition. Und so kehrt die ALS-Patientin als „Gräfin Barbara von Bad Harzburg die über die Heimatstadt Geschwebte“ und der Krebserkrankte Thomas als „Graf Thomas von Bad Harzburg der mutige Himmelsstürmer“ zurück ins Hospiz. Bis tief in die Nacht habe Thomas dort noch Bilder der Wunschfahrt gezeigt und erzählt, erzählt, erzählt, berichtet Hospiz-Pflegedienstleiterin Anja Wagner-Brandt. Und Barbara? „Die war schlagkaputt nach ihrem erfüllten Wunsch. Und sehr, sehr glücklich!“
Reise an einen letzten Sehnsuchtsort: Das ist der ASB-Wünschewagen
Seit November 2017 erfüllt der Wünschewagen, ein Ehrenamtsprojekt vom ASB-Landesverband Niedersachsen e.V., die letzten Wünsche von schwerkranken und sterbenden Menschen. Die Wunschfahrten führen die besonderen Reisenden auf letzte Wunschwege – wenn der gesundheitliche Zustand es erfordert, auch im Rollstuhl oder mit Beatmungsgerät und Magensonde. Denn das Fahrzeug (ein Mercedes-Sprinter) ist ein auf die speziellen Bedürfnisse der Fahrgäste konstruierter Krankentransporter. Ausgestattet ist er unter anderem mit notfallmedizinischer Ausstattung, speziellen Stoßdämpfern, einer Musikanlage, Minibar und einem harmonischen Arrangement aus Licht und Glas, das die „Reise“ zum Wohlfühl-Erlebnis werden lässt. Eine verspiegelte Rundum-Verglasung erlaubt einen Panoramablick nach draußen, während neugierige Blicke ins Innere des Wagens ausgeschlossen sind. 500 Fahrten hat das Team bisher begleitet. Diese führten u.a. in den Zoo Hannover, zu den Karl-May-Spielen in Bad Segeberg, in die Arena auf Schalke und an den Timmendorfer Strand. Der jüngste Fahrgast war ein vierjähriges Mädchen aus Peine, der Älteste eine 102-jährige Lingenerin.
Unser Projekt finanziert sich ausschließlich über Spenden und ASB-Mitgliedsbeiträge und wird getragen durch das Engagement freiwilliger Wunscherfüllerinnen und Wunscherfüller – qualifizierte medizinische Fachkräfte –, die die Fahrten begleiten. Reisenden und ihren vertrauten Begleitpersonen entstehen keine Kosten. Im Schnitt kostet eine Wunschfahrt den ASB rund 700 Euro.
c/o ASB Hannover-Stadt
Petersstraße 1-2
30165 Hannover